Mehr als 90 Prozent aller Menschen nutzen die Google Suchmaschine, um an Informationen jeglicher Art zu gelangen. Vorgesetzte, Mitarbeiter, Freunde und Verwandte - alle gehören dazu und finden durch die Namenseingabe alle Informationen, die Google zum Abruf bereithält. Dies führt immer öfter dazu, dass Bewerber nicht eingestellt werden, leitende Angestellte nicht befördert werden oder Beschäftigte plötzlich ihren Job verlieren und gar nicht wissen warum. Ebenso sind auch Wirtschaftsstraftäter betroffen, die ihre Strafe verbüßt haben und immer wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt werden, da Google diese sichtbar macht, obwohl die Tat schon mehr als zehn Jahre zurückliegt. Eine Resozialisierung ist somit nahezu unmöglich.
Das Recht auf Vergessenwerden im Internet
Der europäische Gesetzgeber hat im Jahr 2014 das „Recht auf Vergessenwerden im Internet“ geschaffen. Jeder Mensch soll die Möglichkeit haben, dass die persönliche Vergangenheit nicht auf alle Zeit und für jedermann im Internet abrufbar bleibt, sondern wieder gelöscht werden kann.
Der Europäische Gerichtshof entschied damals, dass Suchmaschinenbetreiber in der Pflicht sind, Sucheinträge mit Namensbezug zu löschen, wenn der Betroffene dadurch in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt wird. Das Recht auf Vergessenwerden im Internet stellt einen wichtigen Bestandteil der weitreichenden Kontrolle einer Person über die sie betreffenden Daten und damit des sogenannten Selbstdatenschutzes dar.
Jeder Mensch, dessen Persönlichkeitsrechte verletzt werden, kann die Löschung aller Daten verlangen, wenn sie seine Rechte verletzen. Diese Löschungsrechte bestehen in der Regel gegen Suchmaschinen- und Webseitenbetreiber, gegenüber sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder YouTube und gegen Einzelpersonen. Sobald die Suchmaschinen- und Webseitenbetreiber darüber informiert werden, dass ein Rechtverstoß vorliegen könnte, müssen sie tätig werden. Das heißt, sie müssen den Fall überprüfen und dürfen ihn nicht einfach ignorieren oder erst einmal abwarten. Die Suchmaschinenbetreiber können den Sachverhalt jedoch nicht ohne Hilfe ermitteln. Hier muss der Betroffene aktiv werden und nötigenfalls auch den Wahrheitsgehalt der Behauptungen beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast für den Auslistungsanspruch trägt dann derjenige, der die Rechtsverletzung behauptet. Dabei muss der Sachverhalt gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber so vorgetragen werden, dass auf den ersten Blick eine offensichtliche Rechtsverletzung erkennbar ist.
Neues Urteil des Bundesgerichtshofs
Wann genau haben Betroffene ein Recht darauf, dass Google Artikel über sie in den Trefferlisten löscht? Das prüfte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Ende April dieses Jahres in Zusammenhang mit dem Fall eines Paares aus der Finanzbranche. Die beiden Kläger fordern von Google, dass mehrere kritische Einträge über ihre Dienstleistungen auf einer US-amerikanischen Internetseite aus den Suchergebnissen entfernt werden. Bisher weigerte sich Google, die Suchmaschinen-Treffer zu löschen, weil angeblich nicht beurteilt werden könne, ob die Vorwürfe der Kläger tatsächlich nachzuvollziehen sind.
Die Richter des BGH hatten sich nach einer ersten Verhandlung des Falles, die bereits im Jahr 2020 stattgefunden hatte, an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewandt. Dieser sollte klären, ob Google in solchen Fällen eigenverantwortlich nachweisen muss, ob die kritischen Einträge richtig oder falsch sind. Hierzu gab es im Dezember 2022 das „Luxemburger Urteil“, das folgendes besagt:
"Der Betreiber einer Suchmaschine muss die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen auslisten, wenn der Antragsteller nachweist, dass sie offensichtlich unrichtig sind".
Die Aufgabe des BGH in der aktuellen Verhandlung war es nun, das Luxemburger Urteil auf den Fall des klagenden Paares anzuwenden. Das Ergebnis: Die Richter haben in diesem Fall die Klagen zurückgewiesen. Die Begründung: Das Paar habe nicht nachweisen können, dass die Inhalte der Artikel offentsichtlich unrichtig sind.
In einer anderen Klage gab der BGH dem Paar jedoch Recht: Dabei ging es um so genannte Thumbnails, das sind Fotos, die als Vorschaubilder in der Google-Suche erscheinen (gilt auch für andere Suchmaschinen). Das Paar klagte gegen die Thumbnails, die im Zusammenhang mit Ihrem Unternehmen angezeigt werden und durch die sie sich in ein falsches Licht gerückt sehen. Hintergrund: Der Anlagenberater ist während eines Hubschrauberfluges über New York abgebildet und seine Partnerin in einem Cabrio. Das Paar argumentierte, dass ihre Kunden durch diese Bilder den Eindruck bekommen könnten, sie würden auf deren Kosten leben und im Luxus schwelgen.
Der BGH urteilte in diesem Zusammenhang folgendermaßen: Bei Vorschaubildern sei zu prüfen, ob sie wirklich notwendig für die öffentliche Meinungsbildung seien. Tauchten sie, wie im konkreten Fall des Paares, ohne einen sachlichen Bezug in der Google-Suche auf, dann sei dies nicht zu rechtfertigen.
Was können Betroffene tun?
Möchte man einen Löschungsantrag stellen, findet man bei Google entsprechende Online-Formulare. Kommt man so nicht weiter, kann man sich im nächsten Schritt an den Landesdatenschutzbeauftragten seines Bundeslandes wenden, um sich dort Unterstützung zu holen. Wenn es im Streitfall auf diesem Weg ebenfalls keine Lösung gibt, muss man als letzten Schritt versuchen, den Löschungsanspruch gerichtlich durchzusetzen.
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