Presserecht - In einem Beschluss vom 6. März 2023 hat das Landgericht Köln zur Zulässigkeit der Presse- und Medienberichterstattung im Zusammenhang mit prominenten Todesfällen Stellung bezogen und dabei klargestellt, dass das öffentliche Informationsinteresse der Presse und Medien die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Familienangehörigen überwiegt, wenn zutreffend und sachlich berichtet wird. Der Schutz der Pressefreiheit erstreckt sich dabei auch auf die Bebilderung mit „kontextneutralen“ Fotos. Der abgemahnte Verlag, gegen den sich auch der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung richtete, wurde von unserer Kanzlei vertreten.
Details zum Fall
Zugrunde lag dem Verfahren ein Antrag der Eltern des plötzlich und unerwartet mit nur 38 Jahren verstorbenen Sohnes, der leblos im Zimmer eines Züricher Luxushotels aufgefunden wurde. Die Eltern beantragten den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die identifizierende Wort- und Bildberichterstattung im Online-Angebot einer großen regionalen Tageszeitung. Die Antragsteller zählen zu den reichsten Unternehmerfamilien Deutschlands.
Todesfall als zeitgeschichtliches Ereignis
Dem Erlass der Verfügung standen durchgreifende Bedenken des Gerichts entgegen. Denn die Berichterstattung über den Todesfall betrifft ein zeitgeschichtliches Ereignis und ist – so das Gericht – insgesamt zulässig, auch soweit thematisiert wird, dass der Verstorbene der Sohn der Antragsteller war. Das Berichterstattungsinteresse sei aufgrund der gesellschaftlichen Stellung des Verstorbenen und seines ungewöhnlich jungen Alters gegeben und als erheblich anzusehen. Dahinter muss das grundsätzlich als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Angehörigen schutzfähige Recht auf eine Trauer in Stille und Abgeschiedenheit zurücktreten. Denn dieses ist nicht schrankenlos gewährleistet, sondern stets mit dem öffentlichen Informationsinteresse und der Pressefreiheit abzuwägen. Alle zutreffenden Angaben über die Antragsteller und ihre unternehmerischen Aktivitäten sowie Vermögensverhältnisse seien in dem Zusammenhang ebenfalls nicht angreifbar, weil sich auch darauf das Berichterstattungsinteresse erstrecke, so das Gericht.
Boulevardjournalismus über Todesfälle unzulässig
Dieses Ergebnis ist folgerichtig. Anders als im kürzlich durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem im Stile des Boulevardjournalismus über den Tod einer berühmten Schauspielerin im Italien-Urlaub und die letztlich erfolglosen Rettungsbemühungen ihres Ehemanns berichtet wurde, und den die Antragsteller vergleichsweise herangezogen hatten (BGH-Urteil vom 13.12.2022 – VI ZR 280/21), liegt im hiesigen Fall aufgrund der sachlichen, wahrheitsgemäßen und stilistisch nüchternen Berichterstattung, die das Recht der Antragsteller auf Trauer angemessen berücksichtigt und sich daher nicht in Details aus der inneren Persönlichkeitssphäre der Angehörigen suhlt, keine rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung vor.
Postmortales Persönlichkeitsrecht Verstorbener
Auch eine Beeinträchtigung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des verstorbenen Sohnes war für das Gericht nicht erkennbar. Regelmäßig wird eine solche bei einer sachlichen Berichterstattung über wahre Tatsachen kaum ernsthaft in Betracht kommen, denn wegen der verfassungsrechtlichen Verortung allein in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG erstreckt sich das postmortale Persönlichkeitsrecht nach der Rechtsprechung (beginnend mit BVerfG, Beschluss v. 24.02.1971 – 1 BvR 435/68 – Mephisto) nur auf den „allgemeinen Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht“ sowie auf den sozialen Geltungswert, den der Verstorbene aufgrund seiner Lebensleistung erworben hat. Das wäre im Falle einer Medienberichterstattung nur ausnahmsweise einmal denkbar, wenn die Autorin ein grundlegend negatives Persönlichkeits- und Charakterbild gezeichnet, verbale Beleidigungen und Verleumdungen gegen den Verstorbenen verteilt oder ihm eine erfundene, negative Gesinnung zugeschrieben hätte. All dies war im angegriffenen Artikel, der nüchtern und knapp über den Tod selbst berichtete, nicht der Fall.
Kontextneutrale Portraitfotos / Archivfotos dürfen verwendet werden
Neben der Wortberichterstattung hat das Gericht auch die Illustration des Artikels mit einem Archivfoto aus dem Jahr 2004, das die Antragsteller mit ihrem nunmehr verstorbenen Sohn auf einer Ausstellungseröffnung der Kamera zugewandt zeigt, gebilligt. Damit wird die bisherige Tendenz der Rechtsprechung bestätigt: Presse und Medien sind im Zuge einer Wortberichterstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis berechtigt, die beteiligten Personen in Form eines neutralen Portraitfotos vorzustellen, welches bei einer anderen Gelegenheiten entstanden ist, sofern die Aufnahme „kontextneutral“ ist und keine zusätzliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bewirkt. Damit wird der Erwägung Rechnung getragen, dass die Möglichkeit, auf neutrales Archivmaterial zurückzugreifen, gerade auch den Belangen des Persönlichkeitsschutzes dient, da so Belästigungen durch Pressefotografen vermieden werden können. „Kontextneutral“ ist ein Bild immer dann, wenn der ursprüngliche Kontext, aus dem die Abbildung stammt, nicht zu erkennen oder so neutral ist, dass er den Aussagegehalt des Fotos im neuen Kontext nicht beeinflusst oder verfälscht (vgl. OLG Köln 24.3.2015, Urt. v. 24.03.2015 – 15 U 192/14). So lag der Fall hier.
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