Zum Hauptinhalt springen Zum Seiten-Footer springen

Zulässige Verdachtsberichterstattung über strafrechtliche Verurteilung
Berichterstattungen über eine nicht rechtskräftige Verurteilung können zulässig sein. Ein nachträglicher Hinweis auf die fehlende Rechtskraft kann den Unterlassungsanspruch entfallen lassen.

Von
Veröffentlicht am
XingLinkedInFacebookTwitterE-Mail

Der Hinweis auf die Rechtskraft in der Berichterstattung
strafrechtliche Verurteilung

In einem aktuellen Verfahren unserer Kanzlei, welches zwei Instanzen durchlief, ging es im Rahmen einer einstweiligen Verfügung um die Unterlassung von Presseberichterstattungen im Zusammenhang mit laufenden strafrechtlichen Gerichtsverfahren und Ermittlungsverfahren.

Strafrechtliche Verurteilung

Unsere Mandantin ist Verlegerin einer Tageszeitung. Gegenstand des Verfahrens ist ein Artikel zu Kommunalwahlen, der von unserer Mandantin veröffentlicht wurde. In dem Beitrag wurden u.a. zwei Kandidaten und deren Verwandschaftsverhältnis zu einem Bauunternehmer dargestellt, der kürzlich strafrechtlich verurteilt wurde. Auch die Verurteilung wurde in dem Beitrag erwähnt, allerdings ohne den Zusatz, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Hiervon erfuhr unsere Mandantin erst durch die folgende Abmahnung des Bauunternehmers. Er sah sich durch die Berichterstattung in seinen Rechten verletzt und mahnte den Verlag ab.

 

fehlender Hinweis auf Rechtskraft
kein Verstoß gegen Unschuldsvermutung

Nach einer Abmahnung fügte unsere Mandantin in dem Online-Artikel den Zusatz „Der Unternehmer hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, es ist damit noch nicht rechtskräftig“ hinzu. Im sogenannten E-Paper wurde der Bericht vollständig geschwärzt. Eine Unterlassungserklärung hat unsere Mandantin nicht abgegeben. Wir sahen keinen Anlass hierzu und betrachteten den Fall als erledigt.
Der Bauunternehmer trug vor, der streitgegenständliche Artikel begründe einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, weil er, der Antragsteller, Berufung eingelegt habe. Des Weiteren handele es sich um eine unzulässige identifizierende Berichterstattung, da er identifizierbar sei.

Er war zudem der Ansicht, aufgrund der nicht abgegebenen Unterlassungserklärung bestehe hinsichtlich des fehlenden Zusatzes, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, weiterhin eine Wiederholungsgefahr. Auch die erforderliche Eilbedürftigkeit sei gegeben.

 

identifizierende Berichterstattung
öffentliches Informationsinteresse

Das Landgericht Kaiserslautern hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller keinen Unterlassungsanspruch habe. Zwar greife die Berichterstattung über die nicht rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Auch könne dahinstehen, ob eine identifizierende Berichterstattung vorliege, da eine solche zulässig sei. Ein öffentliches Berichterstattungsinteresse läge vor, welches die Interessen des Bauunternehmers überwiege.

Der Fall landete vor dem OLG. Das OLG sah auch keinen Verfügungsgrund.

 

OLG Zweibrücken mit klarer Ansage
keine Eilbedürftigkeit nach mehr als 5 Wochen

OLG mit klarer Entscheidung

Das Pfälzische Oberlandesgericht bestätigte die zurückweisende Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern nicht nur, sondern beklräftigte diese noch. So sah das OLG auch keine Eilbedürftigkeit für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, da mehr als fünf Wochen ins Land gingen zwischen der Publikation des Berichts und der Antragstellung:

Die mit Pressesachen in Hamburg befassten Spruchkörper gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Dringlichkeit im Sinne dieser Vorschrift bei Angriffen gegen massenmedial verbreitete Äußerungen grundsätzlich jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn zwischen der Kenntnisnahme des jeweiligen Beitrags durch den Antragsteller und der Antragstellung nicht mehr als fünf Wochen liegen.

 

Keine Vorverurteilung
Unschuldsvermutung gewahrt

Das OLG sah in der Berichterstatung auch keine Vorverurteilung des Bauunternehmers, da sachlich, wahrheitsgemäß und ausgewogen berichtet wurde. 

 

Berichterstattung über Verwandschaftsverhältnisse von Wahlkandidaten

Kein Problem diesht das OLG zudem in der Tatsache, dass in dem Beitrag die Verwandtschaftsverhältnisse der Wahlkandidaten zu dem Bauunternehmer offenlegten:

Es gehört gerade zu den Aufgaben der Presse, in Zusammenhang mit derartigen demokratischen Prozessen zu berichten. Hierzu gehört auch die Berichterstattung über den Hintergrund der Kandidaten, insbesondere deren verwandtschaftliche Beziehungen, da diese möglicherweise Einfluss auf zukünftige Entscheidungen der Kandidaten haben könnten

Fazit:

Der Fall zeigt, dass nicht jede identifizierende Berichterstattung zu einem Rechtsverstoß führt.

Auch stellt das Gericht klar, dass Eilverfahren eilig durchzuführen sind.

Zudem dürfte nun auch klar sein, dass es keine Pflicht der Presse gibt stets nachzuforschen, ob ein Urteil oder eine Entscheidung rechtskräftig sind.

Dennoch empfehle ich, bereits publizierte Berichte dahingehend zu ergänzen, wenn der Betroffene der Berichterstattung einen entsprechenden Hinweis gibt.

4 W 23/232 O (OLG Zweibrücken)

504/23 LG Kaiserslautern

AfP 1/2024 ab Seite 62

Ein Zusammenfassung zum Beschluss des LG Kaiserslautern findet sich in der aktuellen AfP 

RECHTSPRECHUNG

Zulässige Berichterstattung über nicht rechtskräftige Verurteilung

LG Kaiserslautern vom 11.08.2023 - 2 O 504/23

AfP 2023, 449

AFP0059769

Was können Betroffene tun?
unzulässige Berichterstattung

Wer der Meinung ist, dass ein Pressebericht die eigenen Rechte verletzt, kann sich vertrauensvoll an unsere Kanzlei wenden. Wir sind ausschließlich im Bereich des Presse-Medien- und Urheberrechts tätig und wissen, wovon und worüber wir reden, da wir täglich in diesen Gebieten anwaltlich praktizieren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Recht auf Löschung Artikel 17 DSGVO

Wem steht das Recht auf Löschung zu?

Löschung von veralteten Daten und Informationen - Recht auf Löschung - Jeder Mensch hat ein Recht auf Löschung von Informationen aus der Vergangenheit

mehr

Google - Klage gegen Google auf Löschung von Links aus Suchergebnissen

ist vor dem LG Hamburg eingegangen

mehr

Google - Löschung von Suchergebnissen

Google muss Suchergebnisse entfernen

Wann muss Google Suchergebnisse löschen? Wann kann der Name gelöscht werden?

mehr
Alles zum Thema Google Suchergebnisse - Schwerpunkt von gulden röttger rechtsanwälte

Google Suchergebnisse

Löschung und Auslistung aus der Google-Suche

Wir sorgen für die Auslistung und Löschung von Google-Suchergebnissen und schützen die Integrität von Unternehmern, Politikern und Professoren. Ehemaligen Straftätern helfen wir, wieder ein Teil der Gesellschaft zu werden.

mehr
Google Suchergebnisse aus der Google Suche entfernen lassen

Google Suchergebnisse mit Rechtsanwalt entfernen lassen

Wir helfen den Betroffenen mit rechtlichen Mitteln

Namen und Bilder aus Google-Suchergebnissen entfernen lassen mit Rechtsanwalt. Wenn Sie Ihren Namen und Bilder aus den Google-Suchergebnissen entfernen lassen möchten, wenden Sie sich an uns.

mehr
Google: Löschung von Suchergebnissen wegen Verleumdung und übler Nachrede

Google: Löschung von Suchergebnissen wegen Verleumdung und übler Nachrede

Erklärungen und Tipps vom Fachanwalt zur Löschung von Verleumdungen und Übler Nachrede aus den Google Suchergebnissen.

mehr
Ansprechpartner

Karsten Gulden
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht LL.M. und Mediator

Karsten Gulden ist Rechtsanwalt & Mediator; Mitgründer und Gesellschafter der Kanzlei gulden röttger rechtsanwälte, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht seit 2009, Wahlfachprüfer beim Justizministerium Mainz/Rheinland-Pfalz und Mitglied im NetzDG-Prüfausschuss der FSM.
Zudem ist er ein Familienmensch, der das Klettern, die Berge & das Campen liebt. Die meiste freie Zeit verbringt er mit der Familie & den Pferden in freier Natur.

[email protected]
+49-6131-240950

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich

Kommentare

Keine Kommentare

Icon XingIcon linkedInIcon E-MailIcon Drucken
gulden röttger rechtsanwälte hat 4,88 von 5 Sternen255 Bewertungen auf ProvenExpert.com